Die ersten 50 Jahre der Vereinigung der Buchantiquare und Kuperstichhändler in der Schweiz

„Eine besondere Spezies der Buchhändlergilde“

A propos ‘Anerkennungsschreiben’ und ‘hervorragende Artikel’, davon fanden sich in den vorhandenen Unterlagen keine, und die letzteren mühsam in weit verstreuten ‘ortsansässigen’ Zeitungen ausfindig zu machen, erschien zu zeitaufwendig. Aber ein Artikel liess sich gleichsam ‘am Weg pflücken’, und erst noch ‘hinten drein’ (als diese Geschichte schon fast ganz geschrieben war; und zwar in der Nr. 13/1941 des ‘Anzeiger für den Schweizer. Buchhandel’ als der Chronist einer Information wegen nochmals darin blättern musste). Der mit ‘R. B.’ signierende Autor war wohl der Kontrahent der Ausstellung in Burgdorf. Ob sein Artikel zu den ‘hervorragenden’ gezählt wurde, lässt sich nicht feststellen, aber so hübsch nett und bieder über unseren Beruf zu plaudern dürfte heute (1989) kaum mehr gelingen. Hören wir also „Etwas über Buch-Antiquare“ aus dem Jahre 1941.

„Die Buchantiquare sind eine besondere Spezies der Buchhändlergilde. Sie meiden den vorwärtsdrängenden oft ungestümen Pulsschlag der Zeit, dem jene mehr oder weniger verpflichtet sind. Etwas abseits, Perlensuchern gleich, halten sie Nachlese in dem Reichtum, den die Zeiten reiften.

In gewissem Sinne erinnern sie einen an jene Kinder, die auf einem Schulausflug immer etwas hinten drein sind, weil sie da eine schöne Blume, dort einen farbigen Stein oder irgendein interessantes Schneckenhäuslein finden, es mit besonderem Anteil betrachten müssen und dann hocherfreut damit nachgerannt kommen und rufen: Schaut her! - und die Augen fragen: Ist das nicht schön? - und deren Glück gross ist, wenn jemand sich mit ihnen freuen und staunen kann über den wundersamen Fund.

Man verzeihe diesen profanen Vergleich. Dass die Buchantiquare gescheite, grundgelehrte Leute sind, mit grosser Sachkenntnis und Erfahrung, merkt sofort jeder, der mit ihnen in Berührung kommt. Aber etwas Besonderes ist ihnen noch in hohem Masse eigen: Sie haben etwas von der ‘blauen Wunderblume’ des Märchens in sich. Mit sicherem Blick finden sie das Schöne, das Interessante, das Wertvolle, wenn es auch in unscheinbarem Gewande steckt, und wissen es ins richtige Licht zu stellen. Sie suchen auch andern die Augen zu öffnen und sie teilnehmen zu lassen an der Freude am Echten, Schönen. Aus diesem Bestreben heraus fragten die schweizerischen Buchantiquare an verschiedenen Orten an, ob irgendwo Räume zu finden wären, wo sie ihre Schätze zeigen könnten, und gerne haben Museen oder Gesellschaften als Pflegerin der literarischen und künstlerischen Interessen das Patronat über die verschiedenen Veranstaltungen übernommen.

Da kamen denn in den letzten Monaten aus der ganzen Schweiz die grossen und kleinen sorgsam verpackten Kleinode daher: Illustrierte Schrift- und Druckwerke aus verschiedenen Jahrhunderten - Bücher, die kulturgeschichtlich interessant und/oder durch schönen Druck oder sonstwie unsere Aufmerksamkeit erwecken - erste Versuche von Landkarten, die uns in ihrer köstlichen Unbeholfenheit amüsieren und dennoch Ehrfurcht einflössen vor dem ernsten Wollen ihrer Schöpfer, ferner alte Landschaftsbilder aus dem Kanton Bern von entzückend duftiger Zartheit.

Es liegt etwas Versonnenes und Verträumtes über diesen Büchern und Blättern. Wer sich - nicht einen Augenblick, nein - mindestens ein halbes Stündlein oder mehr geruhsamer Musse erübrigen kann und auch noch etwas von der ‘blauen Wunderblume’ des Märchens in sich trägt, der wird den Besuch der Ausstellungen nicht bereuen“ (R. B.).

Kontinuierlicher verlief die Beteiligung einiger VEBUKU-Mitglieder an dem „Salon Romand du Livre“ in Neuchätel, der 1941 erstmals durchgeführt, bis nach Kriegsende sich jährlich wiederholte. Organisiert von der Societe des Libraires et Editeurs de la Suisse Romande und gefördert von städtischen und kantonalen Behörden, fand diese jeweils etwa 10 Tage dauernde Ausstellung in den prächtigen Räumen des Palais de Peyron statt. Laut den Jahresberichten waren die Aussteller mit dem Erfolg meist zufrieden. Das Alte Buch wird da zwar mengenmässig hinter dem Neuen gestanden haben, aber unsere Mitglieder waren sicher bemüht, nur besonders schöne Werke auszustellen und teilweise um ein Thema zu gruppieren, einmal z.B. ‘Autour des Lacs de Suisse’. Jedenfalls war es eine elegante Gelegenheit, die Existenz unseres Verbandes dem westschweizerischen Publikum vor Augen zu führen.

Ortsgruppe Zürich

Zu Beginn des Jahres 1944 formierten sich die Zürcher Mitglieder zu einer Ortsgruppe, „zwecks Wahrung unserer lokalen Interessen“, wie es im Protokoll der ‘Konstituierenden Sitzung’ vom 5. Januar heisst. Mittelbarer Anlass dazu war wohl ein nicht dem Verband angehörender Antiquar, der mit der Firmenbezeichnung ‘Büchersuchdienst’ und entsprechenden Inseraten eine damals eher ungewohnte Publizität erreichte und damit bei dem eingeengten Markt Konkurrenzängste provozieren mochte. Nicht ganz zu unrecht erklärten die mit ihren Werbemethoden eher zurückhaltenden Zürcher Kollegen, dass das ‘Büchersuchen’ für Kunden seit eh und je zum angestammten Bereiche ihres Berufes gehöre, für jeden Antiquar selbstverständlich (jedenfalls damals) und diese Tätigkeit als Firmenbezeichnung zu brauchen eine unangebrachte Anmassung sei. Um dies dem Publikum ins Gedächtnis zu rufen wurde beschlossen, einen Zeitungsartikel zu lancieren, in dem diese Suchtätigkeit ausführlich dargestellt und mit Hinweisen auf die damals rege benützten berufsinternen ‘Suchlisten-Periodika’ ergänzt wurde. Dieser Artikel erschien im „Schweizer. Buchhandel“ und in der NZZ vom 17. Februar 1944 und gleichzeitig begann auch eine Reihe von Gemeinschaftsinseraten. Die paar ersten enthielten, neben den Namen und Telefonnummern der Zürcher Verbandsmitglieder, eine Art Balkentitel oder ‘Catchword’ wie ‘Desiderata’ und die Erklärung „Wer neue und alte fehlende Bücher und Graphik sucht, wendet sich an die gelernten und dem Fachverband angehörenden Zürcher Antiquare. Diese bieten Gewähr, auf Grund ihrer Erfahrungen, ihren internationalen Beziehungen und der ihnen zur Verfügung stehenden Fachorgane (‘Gesuchte Bücher’ u.a.) Ihre Desiderata sachgemäss zu behandeln.“ Später fielen diese Sätze weg und das Gemeinschaftsinserat, immer mit den Namen und Adressen der Zürcher Kollegen, erschien mit wechselnden Titeln wie ‘Ankauf von Büchern und Stiche’ oder einfach ‘Zürcher Buchantiquare’ bis etwa 1946.

Stultifera Navis

Ein anderes Gemeinschafts-Inserat der Zürcher Gruppe bescherte mehr Aufregung, aber vermutlich auch mehr Heiterkeit. Kurz vor Jahresende 1943 verschickte die Schweizer. Bibliophilen-Gesellschaft ein Zirkular mit der Ankündigung einer dreimal jährlich erscheinenden Zeitschrift ‘Stultifera Navis’, zusammen mit der Bitte um Anzeigen und Inserate. Die Zürcher Gruppe beschloss umgehend, zu dem im Zirkular genannten Seitenpreis von Fr. 140.- ein ganzseitiges Gemeinschafts-Inserat (als Dauerauftrag) zu plazieren und liess dies den damaligen Vorsitzenden der Bibliophilen wissen. Dieser konnte sich in seiner Antwort „zu einer Entgegennahme von Kollektiv-Inseraten nicht verstehen“, fügte aber bei: „Wenn Ihnen sehr an der Aufnahme gelegen ist, dann wären wir bereit, dieses zum Preis von Fr. 300.- für die Seite aufzunehmen“. Diesen ‘Spezial-Mehrpreis’ jedoch lehnten die Zürcher Antiquare ab, die mit dem Gemeinschaftsinserat ja gerade erreichen wollten, dass sich auch die kleineren Firmen in der neuen Zeitschrift vorstellen können, während die Bibliophilen wohl mehr auf einträglichere Einzelinserate aus waren.

Vorgesehen war auch, dass in der Zeitschrift die neu erscheinenden Kataloge der Schweizer Antiquare angezeigt und besprochen würden. Die Antiquare wünschten, mit Hinweis auf die schwierigen Zeiten, dass nicht nur die ‘schön gedruckten Kataloge’ sondern auch die hektographierten Listen aufgenommen würden. Das war nun gegen die Ansicht des bibliophilen Vorsitzenden, der „voraussehe, dass nur Veröffentlichungen jener Antiquare berücksichtigt werden, die uns Anzeigen aufgeben“. Diese Antwort passte wiederum den Antiquaren nicht, die in einem längeren Schreiben nochmals ihre Anliegen und Wünsche erläuterten und weiterhin ein Inserat aufzugeben bereit waren. Da erklärte der Vorsitzende, „in Ihrem Fall ein Kollektiv-Inserat zum Ansatz von Fr. 140.- zuzulassen, möchte aber solches Entgegenkommen ausdrücklich als Ausnahme aufgefasst wissen und erwartet ferner, dass einige Ihrer Mitglieder sich jeweils gleichzeitig zu Einzelinseraten entschliessen werden“. Worauf nun die Zürcher Antiquare beschlossen (laut Protokoll), „nichts weiter zu unternehmen und möglichst nicht zu inserieren“. Damit hatten die Bibliophilen vermutlich nicht gerechnet und am 1. Januar 1945 kam via Sekretär der Bibliophilen-Gesellschaft der Bescheid, „dass es den Vorsitzenden freuen würde, wenn die Zürcher Antiquare inskünftig ein gemeinsames Inserat zum Pauschalbetrag von Fr. 140.- aufgäben und zwar ohne weitere Verpflichtung zu Einzelinsertion“. Das Inserat erschien in den paar nächsten Nummern aber dann entschieden sich die Antiquare, ‘vorerst etwas zu pausieren’ und dabei blieb es.

Der Leser wird sich wundern oder ärgern, warum diese doch banale Stultiferanavis-Episode hier überhaupt und erst noch maliziös aufgetischt wird. Zum Einen ist sie in den sonst so wenig ergiebigen Unterlagen in ihrer ganzen epistolaren Breite erhalten und eigentlich reizvoll wegen der Argumentation und sprachlichen Ausformung, in der (unbeabsichtigt) das nicht immer spannungsfreie Verhältnis zwischen Händler und Sammler sozusagen auf ‘Verbandsebene’ aufscheint. Zum Andern könnte es ein Vorspiel gewesen sein zu einem ‘Bibliophilen-Abend’, den der ‘Zürcher Kreis der Schweizer Bibliophilen-Gesellschaft’ 1956 zum Thema ‘Sammler und Antiquar’ veranstaltete. Auf der Einladungskarte wurde präzisiert: „Erlebnisse und Wünsche, Lob und Kritik. Eine Diskussion am viereckigen Tisch. Wir erwarten von beiden Parteien schonungslose Voten!“. Als ‘unparteiischer Diskussionsleiter’ amtierte Dr. Paul Scherrer, damals Direktor der Zürcher Zentralbibliothek, und das nachstehende Gedicht aus seiner gewandten Feder dürfte damals entstanden sein. (Es ist hier mit seiner freundlichen Erlaubnis wiederabgedruckt, zusammen mit den einleitenden Zeilen, die Paul Scherrer an den Beginn eines Aufsatzes zu diesem Thema stellte, den er ein paar Jahre später schrieb; 1962, wird noch erwähnt werden).

„Als einmal, wie das so im Auf und Ab der Konjunktur zu geschehen pflegt, die natürliche Spannung zwischen Sammlern jeder Gattung und Antiquaren sich erhöht hatte, beschloss ein Bibliophilenkreis, die Gegensätze in einem Gespräch vernünftig zum Austrag zu bringen. Und da ja sowohl die Buchliebhaber wie die Buchhändler ein gewisser literarischer Ehrgeiz beseelt, wählte man, um die Ausgangs-Situation nachdrücklich darzustellen, nicht trockene Prosa, sondern flüssige Stanzen. Wir haben sie aus dem Archiv der Bibliophilen-Gesellschaft jüngst wieder ausgegraben und geben sie nun einem grösseren Kreise preis:“

So oft und wo auch Bibliophile tagen,

sieht man den Gegenpart: die Antiquare;

und rasch, gestuft nach Preis- und Lebenslagen,

gruppieren sich die Sammler-Händler-Paare.

Da gibt es solche, die sich lang vertragen;

doch andre kommen schnell sich in die Haare -

Allein: ob unzertrennlich oder lose,

der Tatbestand bleibt: eine Symbiose.

Sammler- wahrlich, sonderbare Leute!

Bald knickrig sparsam und bald blind verschwendend,

so jagen sie nach ausgefallner Beute,

bestellend, kaufend, wieder retoursendend;

entzückt noch gestern und enttäuscht schon heute,

teils hoch gebildet, teils im Fimmel endend

kurz, unbeständig wie Aprilenwetter -

und doch: verblasster Herrlichkeiten Retter!

Die Antiquare gelten als verschlagen

Wie falsch! Sie sind doch bloss „erlaubt gerissen“,

wenn harmlos sie nach Kundenwünschen fragen,

um treues Dienen ganz allein beflissen,

nur nebenbei mit heimlichen Behagen

des Käufers Schwächen auszuspähen wissen,

die, richtig angereizt, sogar den Plunder

verwandeln in ein museales Wunder!

Doch kann der Sammler nicht vom Händler lassen!

Das Schicksal hat sie rettungslos verbunden.

Der Sammler füllt dem Antiquar die Kassen,

der Antiquar verhilft zu schönen Funden.

Ob sie sich lieben oder grimmig hassen

und schimpfen: „Teure Krämer!“ - „Schlechte Kunden!“ -

In Streit und Eintracht eint sie stets die Suche

nach einem Ziele: der „Kultur im Buche.“

VEBUKU-Kegelmeisterschaft

Noch kurz zurück zu den Zürcher Antiquaren in den 40er Jahren. Zu ihren Versammlungen und Beratungen trafen sie sich am liebsten im Restaurant Zum Weissen Wind in der Altstadt; dass dabei nicht nur geschäftliche oder berufliche Belange zur Sprache kamen, versteht sich wohl von selbst. So lesen wir jedenfalls in einem Nachsatz auf der Einladung zur „GV der Ortsgruppe Zürich“ auf den Abend des 26. März 1946, dass „in Anbetracht des Umstandes, dass nach dieser Sitzung der zürcherische VEBUKU-Kegelmeister erkoren wird, es von elementarer Wichtigkeit ist, dass alle Mitglieder zugegen sein werden“, und im Protokoll zu dieser Sitzung wird denn auch das Resultat festgehalten: „Im Verlaufe des Abends wird Herr Rohr Kegelmeister der Ortsgruppe Zürich“. Diese Sitzung dürfte auch sonst eine sehr einträchtige gewesen sein, beschlossen doch die Anwesenden, das Aufnahmegesuch in den Verband von Melchior Britschgi zu unterstützen (zur Erklärung: M. Britschgi, in Berlin geborener Auslandschweizer, kam vor dem Krieg in die Schweiz und war zeitweise Partner des oben erwähnten ‘Büchersuchdienstes’. Als Mitglied unserer Vereinigung zeichnete sich Britschgi später mehrfach aus als Sekretär und Kassier; er verstarb 1980).

•  1945 bis 1960