Die ersten 50 Jahre der Vereinigung der Buchantiquare und Kuperstichhändler in der Schweiz

Die erste Generalversammlung

Damit sind wir wieder im Gründungsjahr der VEBUKU. Im Laufe des Septembers (am 1. dieses Monats erfolgte der Überfall von Hitler's Truppen auf Polen und vom 3. bis 5. die Mobilisation der Schweizer Armee) erhielten die Mitglieder das erste Rundschreiben: „Verehrtes Mitglied, Sie warten zweifellos schon lange darauf, zu hören, was aus unser im Juni d.J. gegründeten Vereinigung geworden ist und was inzwischen der Vorstand im gemeinsamen Interesse unternommen hat. Sie dürfen überzeugt sein, dass die Vorarbeiten sehr umfangreich waren, aber wir können Ihnen heute mitteilen, dass der Betrieb nunmehr eingespielt ist und wir Sie künftig regelmässig von unserer Tätigkeit unterrichten werden. Wir bitten Sie hier nochmals, recht intensiv an unserem Vereinsleben teilzunehmen und uns mit Vorschlägen aller Art weitgehendst zu unterstützen“.

Zu den Vorarbeiten, die nötig waren um den ‘Betrieb einzuspielen’, gehörte neben Trivialem wie Postscheck einrichten, Verbandsdrucksachen beschaffen, verwandte Verbände und die Presse über die Neugründung zu orientieren, auch Wichtigeres. Auf verschiedenen Vorstandssitzungen wurden die Probleme und Aufgaben besprochen und verteilt, und da diese alle an der ersten Generalversammlung (im Nachhinein kurz GV genannt) zur Sprache kamen, sei diese hier etwas ausführlicher geschildert. Stattgefunden hat sie mit zeitbedingter Verspätung am Sonntag, den 29. September 1940 im Bürgerratssaal zu La Neuveville am Bielersee, Beginn um 15:45. Das ganze Protokoll hier abzudrucken, würde zu weit führen, aber wir wollen es doch etwas näher betrachten und daraus zitieren, weil es anschaulich zeigt, was unsere ‘Gründerväter’ damals beschäftigte und wie sie die anstehenden Probleme anpackten. Die Leitung der Versammlung wurde dem Vorstandsmitglied H. Schumann übertragen, da der Präsident W.S. Kundig krankheitshalber abwesend war.

„I. Herr Schumann ergreift das Wort und entschuldigt die nicht ganz satzungsgemässe Einberufung der Generalversamlung, die durch die zweite Mobilisation und den Entschluss, die Versammlung gemeinsam mit den anderen Buchhändlerfachverbänden durchzuführen, bedingt war. Wie sich jedoch zeigte, hat sich die Zurückhaltung gelohnt, weil in den letzten Monaten so viele Umwälzungen stattfanden, dass man heute klarer sieht als im Juni“. Mit den ‘Umwälzungen’ waren natürlich die Kriegsereignisse gemeint und ‘klar’ war nun im September, nach dem Fall von Frankreich, dass die Schweiz von den Achsenmächten umschlossen war; und ‘klarer’ auch, nach einer Periode der Verunsicherung, die entschlossene Verteidigungsbereitschaft der Schweiz nach General Guisan's Rütli-Rapport vom 25. Juli 1940. Unter den Punkten II, III und IV wurde das Protokoll der Gründungsversammlung, sowie die Jahres-, Kassa- und Revisoren-Berichte ‘einstimmig genehmigt’, nachdem auf Anfrage hin niemand ‘etwas dagegen einzuwenden’ hatte. Bei Punkt V „verliest der Kassier (Aug. Laube) den Voranschlag für das Jahr 1940/41 in der Höhe von etwa 1000 Franken“ und der Mitgliederbeitrag wird einstimmig auf Fr. 30.- erhöht. Traktandum VI betraf die neuen Mitglieder, „die vom Vorstand im Laufe des Jahres provisorisch aufgenommen wurden. Ein Vorschlag, über sie generell abzustimmen, wird vom Schumann mit Hinweis auf die Statuten abgelehnt, es wird daher über jedes der neu aufgenommenen Mitglieder einzeln und geheim abgestimmt“.

Zu Punkt VII wird Herr Seebass ersucht, den Bericht der Kommission für den Usancen-Kodex zu erstatten. „Er weist eingangs darauf hin, dass mit einer Ausnahme, trotz wiederholter Aufforderung des Vorstandes, die erwünschte Mitarbeit seitens der Kollegen ausblieb und er und Herr Wepf an Hand verschiedener vorhandener Usancen verwandter Verbände einen vorläufigen Bericht zusammenstellten...“. Dieser Kodex-Entwurf soll vervielfältigt und je 2 Exemplare den Mitgliedern zugeschickt werden und „es wird ferner beschlossen, jedes Mitglied zur Antwort zu verpflichten und einen Termin zur Wiedereinsendung festzusetzen (8 Wochen) und notfalls bei Verzögerungen sogar mit Bussen vorzugehen“. Die definitive Form erhielten die Usancen erst ein paar Jahre später, ob mit oder ohne Mithilfe der andern Mitglieder (ausser natürlich der dafür zuständigen Kommission, zu der noch Laube und Schumann, und für die französische Fassung Kundig und Reymond gehörten), ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich, aber der Passus mit den angedrohten Bussen wegen Nichtmithilfe scheint doch erwähnenswert, weil Klagen über mangelnde Mitarbeit und Interesselosigkeit an der Vorstandsarbeit auch in späteren Protokollen immer wieder mal auftauchen.

Traktandum VIII betraf das Verhältnis zum Schweizer. Buchhändler-Verein (SBV), das lange zu reden gab, weil es die einen mehr, die andern weniger eng gestaltet wissen wollten. Etliche der damaligen VEBUKU-Mitglieder waren Buchhändler mit angeschlossenem Antiquariat und bei dem plötzlich eingeengten Absatz- und auch Einkaufsmarkt ergaben sich mehr Berührungs- und Reibungsflächen als dies heute der Fall ist. Damals in La Neuveville, wo ja gleichzeitig auch die Buchhändler tagten, wurde vereinbart, dass der ‘Anzeiger’ auch den Antiquaren als offizielles Publikationsorgan zur Verfügung steht, wofür die VEBUKU eine jährliche Pauschale von Fr. 150.- zahlte. Antiquare, die nicht bereits Mitglieder des SBV waren, sollten die Möglichkeit haben, für Fr. 15.- p. a. in die sogenannte ‘Wiederverkäuferliste’ des SBV aufgenommen zu werden, „worauf Lieferung direkt vom Verlag mit einem um 5% verkürzten Rabatt erfolgt“. Ob letzteres damals in dieser Form von den Buchhändlern akzeptiert wurde, lässt sich nicht nachweisen, denn dieses Thema irrlichtet noch durch etliche zukünftige Protokolle, bevor es 1976 in der heute gültigen Form festgehalten wurde). Ein weiteres Thema waren die ‘Gesuchten Bücher’, das noch gesondert zur Sprache kommen wird.

Das Logo

Unter Punkt IX kam ‘Verschiedenes’ an die Reihe. Zum Verbandssignet „weist Herr Hess auf die Wichtigkeit eines solchen hin. Die zwei vom Vorsitzenden herumgereichten Entwürfe befriedigen nicht. Es wird angeregt, einen Berufsgraphiker mit einer würdigen Ausführung zu betrauen“. Dies geschah erst 1944 durch den Zürcher Graphiker Reinhold Kümpel, der dafür Fr. 150.- Honorar erhielt. Die Originalzeichnung (im Durchmesser von 14 cm), zusammen mit ein paar Probeabzügen eines Klischees in Originalgrösse, hat sich bei den Kassierunterlagen erhalten. Das kleine, für Verbands- und Mitglieder-Drucksachen bestimmte Galvano konnte früher vom Verband zum Selbstkostenpreis bezogen werden (Offset-Druck und Photosatz machen es heute überflüssig). Damals schon angeregt wurde eine ‘Liste der faulen Zahler’ sowie die ‘Meldung der gestohlenen Bücher’ und alle Leser, die diese ‘Dauerbrenner’ schon zum xten male bei Versammlungen durchsprechen und/oder anhören mussten, werden froh sein, wenn es hier beim Hinweis bleibt (nicht, dass damit die Wichtigkeit des Problems geschmälert sein soll, denn auch die heutigen und zukünftigen Mitglieder werden leider noch genügend damit konfrontiert werden).

Bemerkenswert war der Antrag von A. Frauendorfer, der Verband solle Gemeinschaftsausstellungen organisieren, und darauf werden wir noch separat zurückkommen. Ein weiteres Thema, das damals mehr als heute die Antiquaren-Gemüter erregte, war das unerlaubte Photographieren von zur Ansicht gesandten Dokumenten und Autographen, „die dann zurückgegeben werden mit der Bemerkung, man hätte kein Interesse mehr“. Man erwog ‘energische Rundschreiben’ an Bibliotheken und Museen, Information an die Presse, und bei seltenen Stücken sollte auf der Rechnung ein entsprechender Zusatz stehen „Reproduktion durch Photographieren ist nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Besitzers und gegen entsprechendes Entgelt gestattet“. Aber „Herr Laube [Realist der er war] ist der Ansicht, dass dieser Passus immer noch nicht genug Handhabe bietet, um diesem Unfug wirklich zu steuern“. Dieses Problem wird noch wiederholt bei Versammlungen auftauchen, verschwindet dann aber parallel zur Vermehrung der Photokopier-Geräte. Wer glaubt denn heute noch, ein Autograph oder Dokument sei nicht schon xerokopiert! Aber urheberrechtlich besteht das Problem nach wie vor.

•  1939 bis 1945