Die ersten 50 Jahre der Vereinigung der Buchantiquare und Kuperstichhändler in der Schweiz

1945 bis 1960

An einem solchen geselligen Abend ist sicher auch der Plan entstanden, die GV 1949 als ‘Jubiläums-Versammlung’ in einem etwas festlicheren Rahmen als sonst in Zürich durchzuführen (davon später). Um 1951 scheint dann die ‘Ortsgruppe Zürich’, als ‘konstituierte’ Organisation wenigstens, ein stilles Ende gefunden zu haben; wohl ein weiteres Zeichen - nebst der schwindenden Teilnehmerzahl an den jährlichen Generalversammlungen - dass die schwierigsten Zeiten, wo man, froh um gegenseitige Unterstützung, etwas näher zusammenrückte, vorbei waren und ein wirtschaftlicher Aufschwung in Gang gekommen war, bei dem man damals nur die positiven Seiten sah.

Nachkriegszeit

Das Kriegsende brachte wohl ein grosses Aufatmen, aber unmittelbar noch keine Erleichterungen für den Export, nach wie vor das dringlichste Problem unseres Verbandes. Der Jahresbericht 1944/45 wurde noch vor der Kapitulation Deutschlands geschrieben und im Protokoll zur GV finden wir (seltsamerweise) keine besondere Erwähnung des Waffenstillstandes. Die üblichen Geschäfte (Jahresrechnung, Mitgliederbestand, Änderungen im Vorstand) werden nüchtern vermerkt, dazu, dass H. Schumann, als Mittelsmann zum Buchhändlerverein, von dieser Seite „über die voraussichtliche Gestaltung des Exportes“ berichtete. „Mit Deutschland hofft man in ca. 3 Monaten mit dem Gebiet westlich der Elbe wieder in Verkehr zu kommen. Nach Frankreich sind in absehbarer Zeit keine Aussichten, mit Grossbritannien sind Möglichkeiten vorhanden.., der Export nach Amerika ist im Prinzip wieder möglich“. Im nächsten Jahresbericht 1945/46 schreibt Eug. Reymond, Präsident von 1943 bis 1945 :

„Il y a un peu plus d'un an que les belligérants ont mis bas les armes. Cependant, la paix ne règne pas encore. Le commerce du livre ancien vit dans 1'ombre des événements mondiaux. I1 n'est plus enserré sur notre territoire national. Pourtant, de multiples difficultes entravent son libre essor au delà de nos frontières. Si le présent nous donne une plus grande liberté d'action que les années dernières, nous regardons surtout vers l'avenir avec l'espoir d'y trouver la paix. En l'attendant, nous faisons nos preparatifs pour renouer les relations avec nos anciens correspondants de tous les pays du globe“.

Vorerst gab es aber noch mehr als genug Hindernisse. Es ist heute kaum mehr bekannt, dass sich die Schweiz am Kriegsende aussenpolitisch in einer keineswegs bequemen Lage befand. Die Bedrohung durch die Achsenmächte war zwar vorbei, dafür stand man nun einer sehr misstrauischen bis feindseligen Siegerkoalition gegenüber, bei der die schweizerische Neutralität im Kampf gegen den nationalsozialistischen Feind kaum Verständnis fand, und es war für unser Land schwierig, handelspolitische Exportwünsche durchzusetzen.

Während der ersten Nachkriegsjahre waren die Ausfuhren nach praktisch allen Ländern durch Kontingente und andere Bestimmungen sehr stark beengt und reglementiert. Was vorher die ‘Clearingpflicht’, war nun das Kontingent in den ‘Dollar-Raum’ und dem Vorstand verblieb die undankbare Aufgabe der Verteilung unter die Mitglieder. Obschon das anfängliche Kontingent von Fr. 250'000.- stufenweise bis zuletzt auf Fr. 400'000.- erhöht werden konnte, gelang dies nicht ohne Reibereien mit einzelnen Kollegen, die glaubten bei der Verteilung zu kurz gekommen zu sein, und das leidige Thema kam erst vom Tisch, als 1949 die Dollar-Bewirtschaftung aufgehoben wurde. Daneben blieb aber die Kontingentierung für andere Länder vorläufig weiterbestehen, die Exporte von antiquarischen Büchern nach West-Deutschland gar kamen erst ab etwa 1948 langsam in Gang und wurden dann schrittweise liberalisiert.

Ausländische Mitglieder

Bemerkenswert für unseren Verband war nach 1946 das geradezu sprunghafte Ansteigen der ausländischen Mitglieder - 1949 sind neben 43 einheimischen 26 ausländische Mitglieder registriert - ein überdeutliches Zeichen des Bedürfnisses nach internationalen Beziehungen in unserem Beruf, das während des Krieges so lange unterdrückt werden musste. Die bei den Kassier-Unterlagen vorhandenen Quittungen und Briefe über die Beitragszahlungen der ausländischen Mitglieder, so belanglos sie auf den ersten Blick sein mögen, ergeben bei näherem Zusehen ein beredtes Bild. Denn aus fast allen Ländern waren Überweisungen in's Ausland auch von relativ kleinen Beträgen wenn nicht gar unmöglich, so doch teilweise äusserst kompliziert und aufwendig und die meisten der ausländischen Mitglieder zogen es vor, ihre Beiträge durch in der Schweiz ansässige Kollegen begleichen zu lassen; sei es, dass sie die Beiträge untereinander verrechneten oder bei Begegnungen auf Reisen oder an Auktionen in bar übergaben. Da wurde dann oft vergessen, oder mit ungenügenden Angaben versehen, diese Beiträge dem schweizer. Kassier zukommen zu lassen, so dass, wenn dieser anmahnte, zurückgeschrieben werden musste, der Beitrag sei doch schon so und so, oder durch den und den bezahlt worden, usw. Zusammen ergeben diese Belege nicht nur einen kleinen praktischen Lehrgang zu den internationalen Zahlungsbedingungen dieser Jahre, sondern auch ein reizvolles, wenn auch natürlich unvollständiges Mosaik en miniature der Antiquaren-Welt, als nach dem Kriege grenzüberschreitende Beziehungen wieder aufgenommen oder hergestellt werden konnten. Gerade, wie es im Grossen das Bild ergäbe, wenn man die Gespräche, Briefe und Dokumente sammeln könnte, die in diesen Jahren zur Gründung der ‘Ligue Internationale de la Librairie Ancienne / International League of Antiquarian Booksellers’ (abgekürzt LILA/ILAB, im weiteren kurz ‘Liga’ genannt) führten.

Am Zustandekommen der Liga war ja, neben dem Engländer Percy C. Muir, dem Holländer Menno Hertzberger und dem Franzosen André Poursin auch der Schweizer W.S. Kundig nicht unwesentlich beteiligt, der 1948 zum ersten Liga-Präsidenten gewählt wurde.

Mit der Etablierung der Liga als funktionierender Organisation, den damals noch jährlich stattfindenden Kongressen, einem internationalen Adressbuch der Antiquare und einheitlich formulierten Geschäftsusancen fiel dann für die meisten der Ausländer der Grund weg, Mitglied der VEBUKU zu bleiben.

Jubiläumsversammlung 1. Mai 1949

1949 setzte unsere Vereinigung den 10. Jahresring an. An der vorjährigen GV hatten die Zürcher Kollegen vorgeschlagen, die ‘Jubiläums’-Versammlung in Zürich durchzuführen und um die Veranstaltung etwas ‘feierlicher’ zu gestalten, plante man eine ‘Ausstellung schöner Werke aus dem Besitze der Mitglieder’. Auch wurde angeregt, dass „Vorstand und Sekretariat einen Rückblick auf die Vorgeschichte der Gründung des Verbandes ausarbeiten sollen (und) es würde begrüsst werden, wenn jedes Mitglied - auch die ausländischen - eine kurze Geschichte ihrer Firmen ausarbeiten würden. Diese Vorschläge werden als ausgezeichnete Idee begrüsst...“, aber diesmal blieb es leider bei der Generalversammlungs-Rhetorik.

Weder die Ausstellung noch die Verbands- und Firmengeschichten wurden realisiert, auch nicht der vorgeschlagene Besuch einer Theater-Premiere am Vorabend der GV, die am Sonntag Morgen, den 1. Mai 1949, im Zunfthaus zur Schmieden durchgeführt wurde. Das ebenfalls vorgeschlagene Festessen, das allerdings fand statt und darüber berichtet das nächste Protokoll wie folgt:

„Schluss der Sitzung '/2 14 Uhr. Anschliessend vereinte ein lukullisches Mahl unseres lieben Harry Schraemly [der berühmte Schweizer Gastronom und Kochbuchsammler] die Teilnehmer, und den Ferngebliebenen kann verraten werden, dass dabei grosse Geschäfte ‘unter der Hand’ getätigt wurden, und dass ihnen nicht nur diese, - sondern auch manche witzige Rede entgangen ist. Es lohnt sich also, Generalversammlungen zu besuchen!“.

Im Begleitschreiben drückt sich Frauendorfer, damals Sekretär, etwas deutlicher aus: „Der Vorstand hätte eine zahlreichere Beteiligung begrüsst (es waren 18 Mitglieder gekommen, davon zwei ausländische). Auch haben viele Mitglieder es nicht einmal der Mühe wert gefunden, sich zu entschuldigen. Das zeigt kein grosses Interesse für berufliche Fragen, und wir möchten sehr wünschen, dass dies in Zukunft anders wird!“.

Immerhin hatte Franz Rosenthal aus Luzern sich die Mühe genommen, den versammelten Kollegen ein Telegramm zu schicken:

„leider teilnahme unmoeglich - herzlichste glueckwuensche zum jubilaeum - rosenthal“.

„Dix Siecles de Livres Français“

Das Jahr 1949 brachte aber neben der etwas reduzierten Jubiläums-Versammlung, an der auch die Erhöhung des Mitgliederbeitrags auf Fr. 60.- (statt Fr. 50.-) beschlossen wurde, wichtigere Ereignisse. Die Aufhebung der Dollar-Bewirtschaftung etwa, die nicht nur von unseren Mitgliedern mit grosser Genugtuung registriert wurde, aber auch „ein Ereignis von einschneidendster Bedeutung stellt die Abwertungswelle im September 1949 dar; dadurch wurde der Handel in fast sämtlichen europäischen und vielen überseeischen Ländern für uns ausserordentlich erschwert, da wir über Nacht 30% und mehr teurer wurden“, wie der Jahresbericht meldet. In dieses Jahr fällt auch der Zusammenschluss der Buchhändler und Verleger zum „Schweizer. Buchhändler- und Verleger-Verein“ (SBVV). Die VEBUKU wird da nicht eingegliedert, sondern als befreundeter Verband betrachtet (mit einem noch auszuhandelnden Vertrag ) und das aus heutiger Sicht etwas kleinliche Gerangel um den ‘Wiederverkäufer-Rabatt’ wird weitergehen.

Eine spektakuläre Manifestation, zwar nicht speziell für unseren Verband aber für unseren Beruf, war die 1949 in Luzern vom Juli bis September dauernde grosse Ausstellung „Dix Siecles de Livres Français“ und der dazu erschienene Katalog. Die ausgestellten Manuskripte und Bücher stammten zur Hauptsache aus der Bibliothèque Nationale in Paris, daneben wurden aber auch gewichtige Beiträge von öffentlichen Bibliotheken, privaten Sammlern und Händlern aus der Schweiz aufgenommen. Da die Provenienzen im Katalog aufgeführt wurden, bleibt dieser ein interessantes Dokument zur ‘haute bibliophilie’ in der Schweiz. Hauptpromotor dieser Ausstellung war zweifellos W.S. Kundig, dem es gelang, zusammen mit dem Berner Bibliothekar Pierre Bourgeois, die Ausleihbereitschaft und Mitarbeit der Pariser Bibliothekare Robert Brun und Jacques Guignard zu gewinnen.

•  Klipstein - Kundig - Frauendorfer